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Gewissensentscheidung durch Mark und Bein

Katholischer Standortpfarrer Hamburg, Militärdekan Michael Langkamp
Es gibt ja nichts schwierigeres, als in einer schweren Gewissensentscheidung zu stehen. Und Menschen, die in einem Gewissenskonflikt mit sich ringen, sind wahrlich nicht zu beneiden: Soll ich mich für diesen oder jenen Beruf entscheiden? Weiß ich, ob ich diesen Menschen wirklich liebe oder nicht? Kann ich die Verantwortung für mein Leben tragen? Woran soll sich mein Leben bei aller Orientierungslosigkeit unserer Zeit denn noch orientieren? Der Fragen sind so viele, wie unser Leben lang und bunt ist.

Fragen, die kein Dritter an meiner Statt beantworten kann, sondern nur ich selbst. Das meint ja gerade das reife Gewissen: ich erlebe es in einer persönlichen Entscheidung, und nur ich, niemals alle anderen, bin davon betroffen. Ich selbst bin vor die Wahl gestellt. Sicherlich nützen zweckdienliche Hinweise und ein guter Rat von Freunden. Und dennoch: wenn es darum geht, die eigenen Lebensweichen zu stellen, ist das eigene Gewissen zu bemühen. Ich muss sagen können, was mir "wert und heilig" ist, und es auch leben. Nicht umsonst sind Gewissensentscheidungen deshalb so schwerwiegend und existenziell. Zum Glück müssen wir sie nicht ständig treffen, die alltäglichen Entscheidungen fallen uns ja eher leicht, erscheinen uns selbstverständlich. Dennoch sind Menschen, die vor schwerwiegenden und lebensverändernden Entscheidungen stehen, wahrlich nicht zu beneiden, umso mehr aber respekt- und liebevoll zu begleiten. Liebevoll heißt: ich sehe, dass ihm die Lebensfrage durch Mark und Bein geht, bis sie zu einer Entscheidung heranreift. Diese Entscheidung kann ich ihm nicht abnehmen. Die kann nur er selbst treffen. Eine halbe Entscheidung ist keine. Und keine Entscheidung schon gar keine.

Die Personen, welche der nationalsozialistischen Herrschaft ein Ende bereiten wollten und deren Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 scheiterte, standen in einem solch schweren Konflikt. Diesen in seiner ganzen Tiefe auszuloten, ist unmöglich, da wir nicht in dieser existenziellen Situation stecken, sie somit allenfalls nachempfindend erahnen können. Alles darüber hinausgehende wäre Spekulation.
Fest steht aber, dass mein Gewissen Gabe (Gottes) und somit ständige Aufgabe ist. Das Wort Gottes, welches meine Antwort fordert.

Und diese Verantwortung für mein Leben zu übernehmen, dazu braucht es ein ungeheures Maß an innerer Freiheit. Eine innere Freiheit des Gewissens, das auch angesichts schwerer äußerer Umstände Ausdruck innerer Freiheit bleibt. Dessen bin ich sehr gewiss.

Militärdekan Michael Langkamp
Katholischer Standortpfarrer Hamburg


Stichwort: Widerstand 20. Juli

Am 20. Juli 1944 misslingt ein Attentatsversuch auf Hitler im Führerhauptquartier Wolfschanze bei Rastenburg in Ostpreußen. Eine Widerstandsgruppe hoher aktiver und ehemaliger Wehrmachtsoffiziere und Zivilisten um den Obersten Claus Schenk Graf von Stauffenberg plant den Sturz des NS-Regimes.

Mit der Operation Walküre - eigentlich einem Einsatzplan des Ersatzheeres für die Wiederherstellung der Ordnung nach einem Aufstandsversuch von z.B. Zwangsarbeitern - soll nach Hitlers Tod systematisch die vollziehende Gewalt im Reich erlangt werden. Die neue Reichsregierung will darauf umgehend in Friedensverhandlungen mit den Alliierten eintreten. Hitler überlebt das von Stauffenberg verübte Bombenattentat nur leicht verletzt - ein massiver Kartentisch deckt seinen Körper. Die nur schleppend angelaufene Operation Walküre bricht zusammen.

Noch am selben Tag werden Stauffenberg, Mertz von Quirnheim, Werner von Haeften und Friedrich Olbricht nach dem Standgericht des Oberbefehlshabers des Ersatzheeres, General Friedrich Fromm, erschossen. Die Hingerichteten werden mit ihren Ehrenzeichen in Uniform bestattet. Am folgenden Tag befiehlt Reichsführer-SS Heinrich Himmler die Exhumierung und Verbrennung der Leichen. Ihre Asche wird verstreut. Andere Beteiligte werden vom Volksgerichtshof und anderen Gerichten zum Tode oder zu langen Haftstrafen verurteilt.

Oliver Maksan

Weiterführender Link:
www.gdw-berlin.de